Vom 11. bis 15. Januar 2023 wurde das von Marco Barotti geschaffene Kunstwerk APES in seiner Einzelausstellung „Rituals of Wasted Technology“ im Kulturquartier Silent Green in Berlin-Wedding ausgestellt. Die Ausstellung fand im Zuge der von Pauline Doutreluingne und Keumhwa Kim kuratierten Ausstellungsserie Speaking to Ancestors statt. Die zweijährige Programmreihe lädt die beteiligten Künstler*innen dazu ein, in Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres jeweiligen Ausstellungsortes ihre künstlerischen Arbeiten ortsspezifisch neu zu entwickeln. Für Marco Barottis Ausstellung wurde daher das Werk APES mit einem weiteren seiner Werke – den SWANS (Schwänen) - vereint.
Über die Kunstwerke APES und SWANS
Bei dem Kunstwerk APES handelt es sich um kinetische Klangskulpturen, die im Rahmen der Künstlerresidenz RE:SEARCHING IT SECURITY gemeinsam mit Wissenschaftler*innen vom Exzellenzcluster CASA und dem Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit entstanden sind. Aus recycelten Wi-Fi-Sektorantennen wurden Primaten geschaffen, die an einem 2 ½ Meter hohen Turm aus Traversen befestigt sind und von Algorithmen gesteuert werden. Bildschirme über ihren Köpfen verbildlichen stetig steigende Zahlen zum Datenverbrauch (z.B. durch Google-Suchanfragen, gesendete E-Mails und Tweets) und zu Cybersecurity-Ereignissen, aber auch Pausen von Datenkonsum und –verwertung („Digital Wellbeing“). Ausgehend von der Idee des Überwachungskapitalismus und des Datenkonsums wurden die Affen so programmiert, dass sie sich nach Mustern (Quasi-Ritualen) bewegen, die von eben diesen Zahlen bestimmt werden.
Über das Potenzial dieser Zusammenarbeit zwischen Kunst und IT-Sicherheitsforschung im Rahmen des Projekts reflektierte Teilnehmerin und CASA Principal Investigator (PI) Asia Biega:
"Kunst und Wissenschaft haben sich gegenseitig viel zu bieten. Eine künstlerische Perspektive hilft uns, neue Realitäten und Zukünfte zu entwerfen, während die Forschung über die Auswirkungen digitaler Technologien es der Kunst ermöglicht, die Gefahren, denen Nutzer ausgesetzt sein könnten, anschaulich zu vermitteln."
Die SWANS wiederum wurden aus ehemaligen Satellitenschüsseln und Lautsprechern geschaffen. Zwei Soundquellen, eine Bassfrequenz und menschlicher Atem, der durch Blechblasinstrumente strömt, verleihen ihnen ihre Stimme und setzen sie auf dem zugehörigen Teich in Bewegung.
Kunstbetrachtung als Erlebnis für die Sinne
In der Kuppelhalle des ehemaligen Krematoriums wurden die Besucher*innen von einer Symbiose beider Kunstwerke begrüßt, die speziell für diesen Anlass geschaffen wurde und verschiedene Sinne ansprach. Das raumgreifende Kunstwerk stand im Mittelpunkt der ansonsten dunkel gehaltenen Rotunde. Aus einem schwarzen, künstlichen Teich mit acht weißen Schwänen schien der Turm herauszuwachsen, an welchem die vier Primaten des Kunstwerks APES verankert waren. Während im unteren Bereich des Raumes insbesondere die strahlenden Schwäne aus ehemaligen Satellitenschüsseln und die in die Höhe schnellenden Zahlen von Cyberattacken, Googlesearches, Tweets und Instagram-Uploads auf den Bildschirmen über den Köpfen der Affen in der Dunkelheit hervorstachen, zeigten sich an Decke und den mit den Urnen-Nischen überzogenen Wänden die Reflektionen des Wassers. Begleitet wurden die visuellen Eindrücke von einer besonderen Klangkulisse: Das Geheul der affenartigen Klangskulpturen, die an dem Turm aus Traversen rüttelten, wurde vom „Schwanengesang“ ergänzt. Dazu plätscherndes Wasser, wenn sich die Schwäne über den dunklen Teich bewegen.
Viele Besucher*innen unterschiedlichster Altersklassen nutzen die Möglichkeit, für einen Moment in die besondere Atmosphäre und mystische Stimmung der Ausstellung an diesem Erinnerungsort abzutauchen und die Kunstwerke auf sich wirken zu lassen.
Rituale als Diskussionsthema des Roundtables
Besonderer Programmpunkt der Ausstellung war zudem das Roundtable am 14. Januar, welches das im Titel der Ausstellung beschriebene Thema der Rituale näher untersuchte. Neben einem Vortrag von Professorin Dorothea von Hantelmann über Ausstellungen als Rituale und einer künstlerischen Performance von Johannes Paul Raether als Hexenwesen „Protectorama“, beleuchtete CASA PI Asia Biega vom Max-Planck-Institut für Sicherheit und Privatsphäre ihr Forschungsthema „Digital Wellbeing“, mit besonderem Augenmerk auf dem verantwortungsvollen Umgang mit Daten im digitalen Raum und damit verbundenen Ritualen. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung von einem Panel der Vortragenden sowie den Kuratorinnen und dem Künstler Marco Barotti.
Auf den Austausch im Rahmen des Roundtables blickt Asia Biega inspiriert zurück:
"Räume des Dialogs zwischen Künstlern und Forschern aus verschiedenen Disziplinen ermöglichen es uns nicht nur, das Kunstwerk zu erleben, sondern es auch mehrdimensional zu betrachten, statt durch vorgefertigte Schablonen, die durch unser eigenes Fachwissen und unsere Erfahrungen begrenzt sind."
Weitere Informationen und Fotos rund um das Kunstwerk finden Sie hier.
Allgemeiner Hinweis: Mit einer möglichen Nennung von geschlechtszuweisenden Attributen implizieren wir alle, die sich diesem Geschlecht zugehörig fühlen, unabhängig vom biologischen Geschlecht.